Autor: Dr. Wendelin Kellner
Ungewöhnliche und irreguläre Römermünzen (Teil 6)
Auf regulären Münzen erscheint, was der Kaiser dem Volk mitteilen möchte, auf irregulären eher, was das Volk sehen will. In Volk und Heer gab es eine starke Neigung zu dynastischem Denken, man hing nicht nur am Kaiser sondern auch an seiner Familie. Entsprechend liebte man das Bild des munteren Knaben M. Aurelius Antoninus = Caracalla (Caesar 196-198, Augustus 198-217). Ein Beleg dafür ist der hybride Denar (Abb. 1) mit der drapierten, bekränzten, halb vom Rücken gesehenen Kinderbüste und ANTONINVS – PIVS AVG. Der Revers gehört eigentlich Julia Domna: Cybele mit Mauerkrone, Ölzweig und Tympanon sitzt neben einem Löwen nach links.
In der Linken hält sie anscheinend einen Pinienstamm (de pinea arbore truncus). An vielen Orten des Reiches sind Handwerkerzünfte der „Baumträger“ nachgewiesen, wie in Rom das collegium dendrophorum Matris deum m(agnae) I(daeae) et Attis, die beim Volksfest des Baumtragens am 22. März mitwirkten: F. Cumont, RE 5,2 (1903) Sp. 217f. Auf regulären Stücken sieht man an Stelle des Stammes den glatten Stab eines Zepters. Legende: MATER DEVM: die große Gottesmutter vom Berg Ida (wo Zeus geboren wurde) galt als Beschützerin der Kaiserfamilie und wurde darum auch MATER AVGG genannt (BMC 163,48).
Ungewöhnliche und irreguläre Römermünzen (Teil 6)…